Es geht oft ganz schnell. Ein Kind verschluckt sich beim Essen oder erwischt ein kleinteiliges Spielzeug und leidet an Atemnot. Es droht zu ersticken.
Statistisch gesehen, ist Ersticken durch Fremdkörper in den Atemwegen bei Kindern bis ins Schulalter die häufigste Todesursache.
Was machst du als Notarzt, wenn du zu so einem Schreckens-Szenario gerufen wirst?
Weißt du noch, welche Handgriffe du anwenden musst? Damit du dein medizinisches Wissen auffrischen kannst, haben wir dir die wichtigsten Punkte in diesem Beitrag zusammengefasst.
#1: Erstickungs-Notfall durch Fremdkörper: Das Problem und wie du es erkennst
Das Problem beim erstickenden Kind besteht darin, dass es lautlos erstickt. Meistens greifen sich die Kinder an den Hals, laufen blau an und werden bewusstlos.
Diese Situation ist sehr gefährlich. Das Kind könnte irgendwo im Haus liegen und die Eltern denken, es sei gerade eingeschlafen.
Im Idealfall haben die Eltern den Notfall aber erkannt und dich gerufen. Du als Notarzt musst die Diagnose stellen, um anschließend richtig und guideline-konform handeln zu können. Doch wie war das nochmal? Wann kannst du von einem Erstickungs-Notfall ausgehen?
Wenn Kinder kräftig husten, ist das lange noch kein Problem. Auch nicht, wenn der Husten länger anhält. Denn es gilt: Jeder der stark hustet, atmet auch.
Von einem Erstickungs-Notfall durch einen Fremdkörper musst du ausgehen, wenn…
- … ein Kind auffällig ruhiger wird und die zu Beginn starken Hustenstöße abschwächen (sogenannte ineffektive Hustenstöße).
- … du als Notarzt zu einem leblosen Kind gerufen wirst. Sofern keine offensichtliche Fremdeinwirkung wie Blutung oder Unfall vorliegt, musst du den Verdacht auf Ersticken äußern. Hat es etwas verschluckt, das nun die Atemweg blockiert?
#2: Deine Schritt-für-Schritt-Anleitung um das Kind vor dem Ersticken zu retten
1) Kind muss husten: Idealerweise hustet das Kind bereits, wenn du am Notfallort eintriffst. Denn der eigene Husten ist der effektivste Reflex, den wir Menschen besitzen. Durch ihn kommt es zum explosionsartigen Ausstoßen der Luft, die den Fremdkörper bestenfalls wieder hinausbefördert. Wenn das Kind also bereits hustet, fordere es auf, weiter zu husten.
2) Mut machen: Unterstütze das Kind dabei mental und mache ihm Mut.
3) Hilfestellung bei ineffektiven Hustenstößen: Falls die Hustenstöße schwächer werden, musst du dem Kind helfen. Wende dazu folgende Methode an: Halte das Kind mit dem Kopf nach unten geneigt (45° Winkel) und gib 5 kräftige Schläge zwischen die Schulterblätter. Der Kopf muss tief sein, weil das Klopfen den Fremdkörper mobilisiert. Im Idealfall kann der Gegenstand somit hinausfallen.
Aber Achtung: Alles mit Maß und Ziel. Die Schläge müssen zwar kräftig sein, sollten bei dem Kind aber nicht die Knochen brechen.
Wenn die Schläge nicht helfen und der Fremdkörper noch immer feststeckt, musst du je nach Alter des Kindes unterschiedlich vorgehen.
#3: Schnelle Schritte waren erfolglos? Was nun?
Kinder über 1 Jahr: Hier musst du den Heimlich-Handgriff anwenden
Bei einem Kind, das älter als 1 Jahr ist, musst du als lebensrettende Maßnahme 5-mal den Heimlich-Handgriff (= Oberbauchkompression nach Heimlich) anwenden.
Zur Erinnerung: Du gehst von hinten auf das Kind zu und umgreifst dessen Oberbauch. Und zwar so, dass du eine Faust unterhalb der Rippen und des Brustbeines in die Magengrube des Kindes legen kannst. Mit der anderen Hand greifst du die Faust und ziehst kräftig und ruckartig nach hinten hoch.
Aber Achtung: Dieser Handgriff ist „nicht ohne“. Durch die Kompression des Abdomens versucht man, den Fremdkörper durch den entstehenden Überdruck aus den oberen Atemwegen herauszubringen.
Dieser kräftige Überdruck führt auch zu Nebenwirkungen: Zum einen erbricht dein Patient, zum anderen kommt es in 1 Prozent der Fälle zu inneren Organverletzungen.
Daher wende den Heimlich-Handgriff nur an, wenn der Nutzen höher ist als das Risiko. Also erst, wenn die Hustenstöße ineffektiv werden und das Kind zu ersticken droht.
Nach diesem Handgriff gehst du – wie weiter oben beschrieben – vor: Kopf des Kindes tief hängen lassen und 5 kräftige Schläge auf den Rücken.
Dies wiederholst du so lange, bis der Fremdkörper herausfällt und das Kind wieder atmen kann. Häufig kommt jedoch kein Fremdkörper heraus.
Sollte das Kind bewusstlos werden, musst du es wiederbeleben.
So reanimierst du bei Erstickungs-Gefahr
1) Einsatz von Laryngoskop und Magill-Zange: Wenn du alle Vorbereitungen für die Reanimation getroffen hast, solltest du einmal mit dem Laryngoskop in die Luftröhre schauen. Im Idealfall siehst du den Fremdkörper und kannst ihn mit einer Magill-Zange entfernen.
2) Intubation: Trotz Laryngoskop siehst du keinen Fremdkörper, aber gehst immer noch von einem aus? Dann bleibt dir nur noch die Intubation.
Führe den Tubus möglichst tief hinein und hoffe, dass dieser den Fremdkörper in die linke oder rechte Lunge schiebt. Ziehe danach den Tubus wieder ein kleines Stück heraus. Wenn du Glück hast, kannst du wenigstens einen Lungenflügel beatmen.
3) Sofort in die Klinik: Nach der Intubation musst du so schnell wie möglich in die Klinik fahren. Dort übergibst du deinen Patienten an die HNO-Ambulanz. Diese hat mehr technisches Equipment und Möglichkeiten. Deine Kollegen werden versuchen den Fremdkörper zu greifen oder zu shreddern (z.B. Nuss).
Kinder unter 1 Jahr: Kein Heimlich-Handgriff
Wenn das Kind unter einem Jahr alt ist, musst du folgende Punkte bei der Behandlung beachten:
- Rückenschläge: Gib dem Kind nun 5 beherzte Rückenschläge in Kopf-Tief Lagerung zwischen die Schulterblätter.
- Drehe das Kind um: Drehe das Kind nun in Rückenlage mit dem Kopf nach unten (Neigungswinkel ca. 45°). Lege dazu einen Arm unter den Rücken des Kindes und umfasse mit deiner Hand den Hinterkopf.
- Thoraxkompression: Mit 2 Fingern musst du nun 5 langsame und tiefe Thoraxkompressionen machen. Der Druckpunkt befindet sich dabei in der Mitte des Brustbeines.
Ziel der Kompression ist es, den intrathorakalen Druck zu steigern. Somit kann sich der Fremdkörper lösen und hinausbefördert werden.
Sollte sich der Fremdkörper nicht entfernen lassen und das Kind bewusstlos werden, musst du es wiederbeleben.
Die Reanimation führst du im Verhältnis von 15:2 aus. Das heißt: Du beginnst mit 15 Herzdruckmassagen und 2 Beatmungen.
Wenn du das Kind reanimierst, ist es oft nicht möglich mit einem Beatmungsbeutel zu beatmen. Sollte dir das auch passieren, dann verhärtet sich der Verdacht, dass ein Fremdkörper im Spiel ist.
Fazit: Für Kinder-Erstickungsnotfall musst du Heimlich-Handgriff und Thoraxkompression beherrschen
Wie du gesehen hast, entscheidet das Alter, welche Methode du bei einem Erstickungs-Notfall anwenden musst.
Handelt es sich um Kinder über 1 Jahr, bietet sich der Heimlich-Handgriff als lebensnotrettende Maßnahme an. Jedoch nur, wenn der Nutzen höher ist als das Risiko!
Bei Kindern unter 1 Jahr musst du dagegen 5 Rückenschläge und 5 Thoraxkompressionen durchführen und hoffen, dass der Fremdkörper hinausbefördert wird.
Schlagen beide Methoden fehl, bleibt dir nur noch die Reanimation.
So steht es zumindest in den Lehrbüchern. Doch die Realität schaut leider oft anders aus. Denn sehr vielen Notärzten gelingt es nicht, ein Kind vor dem Ersticken zu retten, was auch daran liegt, dass nach dem Erstickungsereignis nur wenige Minuten zur Verfügung stehen.
Jedoch kannst du diese Notfälle in unserem Pädiatrie-Notfall-Kurs üben, um sicherer zu werden und Leitlinien-konform zu reagieren. Klicke dazu einfach auf nachfolgenden Link oder auf den roten Button: https://simulationcenters.com/mediziner/paediatrie-notfall-kurs/
Ja, ich möchte Erstickungs-Notfälle bei Kindern üben!
Foto: ©pix4U – fotolia.com