Medizinische Notfälle an Bord auf kommerziellen Flügen treten mehrmals täglich auf. Im Jahr 2018 wurden weltweit 54.000 solcher Ereignisse registriert. Das sind 150 medizinische Notfälle pro Tag oder 1 Notfall alle 10 Minuten.
Die stetig steigende Zahl der Fluggäste, die Überalterung der Bevölkerung und die steigende Zahl von Fluggästen mit akuten oder chronischen Erkrankungen werden zweifellos die Zahl der medizinischen Ereignisse an Bord in Zukunft noch weiter erhöhen.

Medizinische Erste-Hilfe in beengten Räumen in über 12.000 Metern Höhe ist kein Honigschlecken

Der niedrige Luftdruck, das ständige laute Brummen der Triebwerke und die Anwesenheit von ungebetenen Zuschauern erschweren dir die Arbeit im Notfall deutlich.
Dieser Artikel soll dir die wichtigsten Fragen zu flugmedizinischen Notfällen beantworten und wie du diese als Arzt meistern kannst.
Was sind die häufigsten Ursachen für medizinische Notfälle während eines Fluges? Wie solltest du dich als Arzt verhalten? Welche medizinischen Ressourcen stehen an Bord eines Flugzeugs zur Verfügung? Wann sollte eine Notlandung angedacht werden?

Alle 604 Flüge ereignet sich ein medizinischer Notfall

Turbulenzen führen zu herabfallenden Gegenständen und können leicht Verletzungen verursachen. Auch Langstreckenflüge können den zirkadianen Rhythmus stören und den Medikamentenplan von Patienten mit chronischen Erkrankungen stören. Die Kombination von Inaktivität und langem Sitzen während einer Flugreise kann dazu führen, dass Fluggäste nicht nur geschwollene Beine bekommen sondern auch Thromboembolien entwickeln.
notlandung Kopie

Der Kabinendruck birgt Gefahren

Die Reiseflughöhe von Verkehrsflugzeugen liegt in der Regel zwischen 10.000 und 12.000 Metern. Daher werden die Flugzeugkabinen während des Fluges auf umgerechnet 3.000 Metern über dem Meeresspiegel unter Druck gesetzt.
Aufgrund des gesunkenen Kabinendrucks ist der Partialdruck von Sauerstoff in der Kabinenluft in normaler Reiseflughöhe daher 25-30% niedriger als auf Meereshöhe. Obwohl dieser reduzierte Druck von den meisten Menschen relativ gut vertragen wird, kann dies für einige Patienten mit chronischen Herzkreislauferkrankungen problematisch werden.
Aufgrund des verminderten Kabinendrucks dehnen sich alle Gase in den Körperhöhlen aus. Die Expansion dieser Gase kann Ohrenschmerzen verursachen, weil der Druck im Mittelohr zunimmt. Auch starke Bauchschmerzen können die Folge sein, da sich die Luft im Darm verhältnismäßig stark ausdehnen kann.

Luftqualität in der Kabine

Zirka die Hälfte der Kabinenluft rezirkuliert ständig im System und wird mit Spezialfiltern (HEPA) gereinigt, während die anderen 50% aus der Außenluft zugeführt wird.
Auch sei darauf hinzuweisen, dass durch das Rezirkulieren der Luft Infektionskrankheiten gerade auf Langstreckenflügen leicht von einem Passagier auf den anderen übertragen werden können.
Die Luftfeuchtigkeit an Bord liegt auch nur zwischen 7-20%. Die optimale Luftfeuchtigkeit liegt jedoch zwischen 40-70%. Daher ist die Kabinenluft für viele Reisende zu trocken.
Die niedrige Luftfeuchtigkeit der Kabinenluft kann zu trockener Haut, trockenen Augen und gereizten Atemwegen führen, insbesondere bei Patienten mit Asthma oder chronischen Lungenerkrankungen.
Der Wasserverlust in der trockenen Kabine, kombiniert mit einer geringen Flüssigkeitsaufnahme auf langen Flügen, kann auch schnell zur Dehydrierung führen.

Wer trägt die Letzt-Verantwortung?

Im Flugzeug trägt der Pilot immer die Gesamtverantwortung für alle Passagiere, die Besatzung, den Flug selber und das Flugzeug.
Die Kabinenbesatzung ist für das Management von medizinischen Notfällen an Bord verantwortlich. Sie sind darauf trainiert, häufige medizinische Probleme zu erkennen und zu therapieren.
Basierend auf dem Zustand des Passagiers kann der Kapitän alleine entscheiden, ob der Flug fortgesetzt werden kann oder ob eine vorzeitige Landung sinnvoll wäre.
notfall im flugzeug

Welche medizinischen Notfälle sind wie häufig?

Das häufigste medizinische Ereignis an Board ist die Synkope, die ca. 35% aller medizinischen Notfälle ausmacht. Luftnot ist derzeit der zweithäufigste medizinische Notfall (12 %), gefolgt von Übelkeit und Erbrechen (10 %).
passagier ist schlecht
Angina pectoris kommt ebenfalls nicht selten vor und wird mit 8 % aller medizinischen Notfälle angegeben. Bauchschmerzen, Infektionskrankheiten, Agitations- oder psychiatrische Symptome und allergische Reaktionen liegen bei ca. 10% Wahrscheinlichkeit unter allen medizinischen Notfällen. Das Schlaganfallrisiko liegt bei 2,0%, das Traumarisiko liegt bei 1,8%, das Kopfschmerz-Risiko wird mit 1,0% angegeben und das Risiko für einen Herzstillstand liegt bei 0,3% aller medizinischer Notfälle.

Welche Medikamente werden am häufigsten gebraucht?

Die am häufigsten verwendeten Medikamente sind Sauerstoff (49,9%), intravenöse 0,9%ige Kochsalzlösung (5,2%) und Aspirin (5%).
Ein automatisierter externer Defibrillator (AED) wurde in 1,5% der medizinischen Notfälle eingesetzt. In den meisten Fällen wurde er jedoch nur zur Überwachung des Herzrhythmus verwendet. Nur in 0,5% der Fälle wurde ein Schock ausgelöst.

Im Falle eines Notfalles an Board …

Bei Bedarf wird die Kabinenbesatzung Ärzte oder medizinische Fachkräfte auffordern, bei der Behandlung eines kranken Passagiers zu helfen. Obwohl die meisten Ärzte auf diese Aufforderung auch in der Regel reagieren, ist es leider Tatsache, dass sich viele Ärzte leider nicht freiwillig melden, da sie oft glauben, notfallmedizinisch nicht am aktuellsten Stand der Wissenschaft zu sein und rechtliche Konsequenzen fürchten.

Die rechtlichen Aspekte

Ein Arzt ist gesetzlich nicht verpflichtet, im Falle eines medizinischen Notfalles an Bord eines Flugzeuges zu helfen. Andererseits hat jeder Arzt eine ethische Pflicht zur Notfallversorgung eines Patienten. Wichtig ist im Falle einer Hilfeleistung in großer Höhe, stets nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln.

Die medizinische Versorgung

Bei der Beurteilung des Patienten ist es wichtig, nach wichtigen Symptomen wie Brustschmerzen, Kurzatmigkeit und Anzeichen eines Schlaganfalls zu suchen.
Synkopierte Patienten sind oft anfangs nicht ansprechbar. In den meisten Fällen erfolgt die Besserung jedoch innerhalb von 5-10 Minuten. Eine intravenöse Flüssigkeitsverabreichung ist in der Regel hilfreich.
Ein sinnvoller erster Schritt ist es, den Patienten in den Gang zu bringen, ihn bei Bewusstlosigkeit in die stabile Seitenlage zu bringen und eventuell Sauerstoff zu verabreichen. Gib nach Möglichkeit auch immer intravenöse Flüssigkeiten. Auch der Blutdruck sollte nach Möglichkeit gemessen und dokumentiert werden.
Falls Brustschmerzen auftreten, solltest du die Verabreichung von 250mg Aspirin in Betracht ziehen. Auch kann die Gabe von Nitroglycerin sublingual in Betracht gezogen werden. Wenn sich die Symptome wieder bessern, ist eine Notlandung des Fluges in der Regel nicht erforderlich.
Wenn der Patient einen Kreislaufstillstand erleidet, führe eine effektive Wiederbelebung durch und verwende so schnell als möglich einen Defibrillator. Wenn Du nicht weißt, wie man eine effektive Herzdruckmassage macht, dann kannst du hier nachlesen.

Die medizinische Ausrüstung an Board

Es gibt gesetzliche Anforderungen an die medizinische Ausrüstung, die an Bord eines kommerziellen Flugzeugs mitgeführt werden muss. Die Norm wird von der zuständigen Luftfahrtbehörde festgelegt: der Federal Aviation Administration (FAA) in den Vereinigten Staaten und der European Aviation Safety Agency (EASA) in Zusammenarbeit mit den Joint Aviation Authorities (JAA) in Europa.
Europäische Fluggesellschaften, die in die USA fliegen, müssen sowohl die Anforderungen der FAA als auch der JAA erfüllen.
Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (IACO) fordert drei Arten von medizinischen Kits: Erste-Hilfe-Kit (FAK), Notfallkit (EMK) und Universal Vorsorge-Kit (UPK).
Der Inhalt des FAK dient in erster Linie der Versorgung von Wunden und Verbrennungen, aber das Set kann auch rezeptfreie Medikamente enthalten.

Fazit

Die meisten medizinischen Ereignisse während des Fluges sind gut zu managen und werden sich oft von alleine lösen. Der Tod an Bord ist ein seltenes Ereignis.
Die meisten medizinischen Notfälle können in der Regel von der Kabinenbesatzung ohne jegliche Unterstützung eines medizinischen Personals gelöst werden.
Im Falle eines medizinischen Notfalls an Bord ist ein Arzt ethisch verpflichtet, auf Anfrage zu helfen. Das Gleiche gilt für alle Passagiere aus anderen Gesundheitsberufen.
Die Rolle des Arztes besteht darin, den Piloten und die Crew zu unterstützen und zu beraten. Der Pilot hat die letzte Entscheidung, ob das Flugzeug notgelandet werden muss.
Der Arzt sollte eine klinische Beurteilung des Passagiers vornehmen und die notwendige Behandlung in Übereinstimmung mit den verfügbaren Ressourcen einleiten.
Der an Bord verfügbare Notfallkoffer (EMK) enthält medizinische Geräte und Medikamente, die für die klinische Untersuchung und die Behandlung des Passagiers verwendet werden kann. Dieses Kit darf jedoch nur verwendet werden, wenn ein Arzt für die Behandlung im Flugzeug zur Verfügung steht.
Die meisten Flugzeuge verfügen über automatische externe Defibrillatoren (AED’s) für den Einsatz im Falle eines Herzstillstands.
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