Bei großen Brandverletzungen geht es schnell um Leben und Tod. Kennst du die aktuellen Guidelines aus 2015? Weißt du, wie du die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhst? Falls du dir nicht ganz sicher bist, dann findest du hier eine kleine Wissens-Auffrischung.
Beispiel-Situation: 40-Jähriger gerät in Stromkreis
Wir gehen hier von einem 40-jährigen, gesunden Mann mit ca. 80 Kilogramm Körpergewicht aus.
Dieser Mann ist Elektriker und will einen E-Herd an den Starkstrom anschließen. Beim Einsetzen der Sicherung gerät er in den Stromkreis.
Weil es ein Problem mit der Erdung gibt, „fährt“ der Strom in seine linke Hand hinein und an seinem rechten Fuß wieder hinaus. Da die Hauptsicherung nicht gleich ausgelöst hat, bleibt der Mann mehrere Sekunden im Stromkreis.
Mit starken Verbrennungen (3. Grades) am linken Arm und am rechten Bein fällt er zu Boden.
Bevor wir zur Versorgung kommen: Wie hoch ist seine Überlebenswahrscheinlichkeit?
Mit solchen Verletzungen ist nicht zu spaßen! Dieses Beispiel eines recht jungen und aktiven Mannes verdeutlicht, wie schnell es bei Verbrennungen um Leben und Tod gehen kann.
Berechnung der Überlebenswahrscheinlichkeit
Überlebenswahrscheinlichkeit = 100 – [Alter in Jahren] – [Anteil an verbrannter Hautfläche in Prozent]
In unserem Beispiel würde Folgendes zutreffen:
100 – 40 – 14 (ein Bein zu ca. 3/4) – 9 (ganzer Arm) = 37 Prozent
Das heißt: Die Überlebenswahrscheinlichkeit dieses jungen, gesunden Mannes sinkt bei solch einem alltäglichen Arbeitsunfall auf 37 Prozent.
Praxistipp: Wie berechnest du schnell die verbrannte Fläche?
Für die Anteilsberechnung der verbrannten Fläche hat sich die 9er-Regel etabliert:
- ganzer Arm = 9 Prozent
- Bein Vorderseite = 9 Prozent
- Bein Rückseite = 9 Prozent
- Bauch = 9 Prozent
- Brust = 9 Prozent
- Rücken-Lendenbereich = 9 Prozent
- Rücken-Brustbereich = 9 Prozent
- Kopf = 9 Prozent
- Genitalien = 1 Prozent
Wieso sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Brandverletzungen so schnell?
Bei Brandwunden wird die Haut als Schutzhülle des Körpers praktisch außer Gefecht gesetzt. Der Mensch ist Bakterien fast schutzlos ausgeliefert, die verbrannten Zellen sind nicht mehr in Lage Abwehrreaktionen zu zeigen.
Die Folgen der Brandverletzungen können zu massiven Infektionen führen und in Organversagen münden.
Wie sieht die präklinische Versorgung nach aktuellen Guidelines aus?
Eine große Herausforderung bei der präklinischen Versorgung liegt darin, dass viele Personen, darunter auch Laien als Ersthelfer, darin verwickelt sein können. Alte Mythen können Brandverletzungen nämlich verschlimmern, anstatt die Heilung zu begünstigen.
Spätestens das Notarztteam und die Notfallsanitäter sollten guidelinekonform (aktueller Stand 2015) handeln!
Schritt 1: Lauwarm spülen, statt eiskalt kühlen!
Achtung! Das hat sich in den letzten Jahren mit den neueren Forschungsergebnissen verändert. Akute Brandverletzungen dürfen nicht gekühlt werden. Das ist veraltet!
Richtig ist es, diese Wunden mit lauwarmen Wasser zu spülen. Der Grund: Nur so kannst du möglichst viel Randbereich der Wunde retten. Die betroffenen Zellen unterstützt du in der Regeneration, indem du mit lauwarmen Wasser den Stoffwechsel in diesen Zellen erhältst bzw. unterstützt.
Kaltes Wasser würde die Zellen nur noch mehr schädigen. Wie du an der oben genannten Formel gesehen hast: Je mehr Zellen intakt bleiben, desto besser ist die Chance lebensbedrohliche Infektionen zu verhindern.
Schritt 2: Nur Kleidung entfernen, die nicht an der Haut haftet
Auch bei diesem Schritt geht es in der präklinischen Versorgung darum, soviel intakte Hautzellen zu erhalten wie möglich. Lässt sich die Kleidung bei Brandwunden leicht entfernen (ist meist bei Verbrühungen der Fall), so kannst du sie bedenkenlos abnehmen.
Hat sich die Kleidung jedoch in die Haut „eingebrannt“, dann musst du das den Kollegen im OP überlassen. Nur sie können operativ soviel wie möglich retten.
Schritt 3: Keine Öle und andere Hausmittelchen
Als Profi gilt es bei diesem Schritt vor allem darum, Laien davon abzuhalten. Hausmittelchen oder Öle machen die Situation meist nicht besser, sondern verschlimmern diese dramatisch.
Zudem kann es in der Klinik weitere Mühen verursachen, die Verletzungen wieder von diesen Ölen und Hausmittelchen zu reinigen.
Schritt 4: Wunden mit sterilem Tuch abdecken
Hier geht es darum, sofort die Infektionsgefahr einzudämmen. Daher solltest du nach dem ausspülen der Wunden mit lauwarmen Wasser im Einsatz sofort zum sterilen Tuch greifen.
Damit kannst du die Wunden vor weiterer Verschmutzung und nachfolgender Infektion schützen.
Schritt 5: Einwickeln in Aludecke
Patienten mit großen Brandwunden neigen dazu, schnell auszukühlen. Am besten wärmst du den Patienten mit einer Aludecke.
Schritt 6: Schnell in eine große Klinik
Die Überlebenschancen deines Patienten steigen, wenn du schnell handelst und ihn in die richtige Klinik bringst. Es muss sich dabei unbedingt um ein großes Center mit Intensivstation und großem operativen Department handeln.
In solchen Kliniken sind die Ärzte auf solche Notfälle mit Sicherheit vorbereitet. Wenn du deinem Patienten weitere wertvolle Minuten mit bestmöglicher Versorgung schenken willst, dann kannst du die Übernahme in der Klinik vorbereiten.
Teile den Kollegen anhand der 9er-Regel mit, wie groß die verbrannten Bereiche sind und welcher Grad der Verbrennung erreicht wurde. Die Chirurgen gewinnen dadurch Zeit und können schon alles vorbereiten.
Fazit: Alte Mythen über Bord werfen & Kollegen schnellstmöglich briefen
Wie du vielleicht gesehen hast, haben sich im Laufe der Jahre die Guidelines für die ideale notfallmedizinische Versorgung eines Brandverletzten verändert. Die neuesten Erkenntnisse zu kennen, kann im wahrsten Sinne des Wortes in solchen Fällen Leben retten.
Damit du immer auf dem neuesten Stand bleibst, möchten wir dir hier im Blog Woche für Woche Informationen zum Thema Notfallmedizin geben. Hast du daran Interesse, notfallmedizinische Maßnahmen am lebensechten Simulator trainieren zu wollen, dann solltest du dich hier genauer umsehen.
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Frage: spülen mit lauwarmen Wasser nur bei verschmutzter Brandwunde oder in jedem Fall ?
LG u.Danke
Guten Abend!
Auf alle Fälle lauwarmes Wasser auch bei nicht verschmutzen Brandwunden. Kaltes Wasser schädigt das Gewebe zusätzlich und sollte wenn möglich vermieden werden. Verschmutze Brandwunden sollte man zusätzlich natürlich vom Profi (Chirurgen) reinigen lassen. Liebe Grüße und alles Gute! Daniel
Sehr geehrter Herr Dr. Pehböck,
was halten Sie von „Burnshield“ Kompressen?
Es geht um die Ausrüstung von Segelschiffen für eine optimale Erstversorgung von Brandverletzten bis zur Übergabe an den Rettungsdienst bzw. DGzRS.
Lieber Herr Kollege!
Diese Kompressen eignen sich vor allem gut zur Schmerzlinderung bei Grad I und Grad II Verbrennungen. Bei Grad III Verbrennungen würde ich diese nicht mehr anwenden und nur mit lauwarmen Wasser spülen und steril abdecken.
Hoffe geholfen zu haben! Vielleicht sieht man sich ja mal in Tirol 🙂 lg, Daniel
Sehr geehrter Hr. Dr. Pehböck!
Der initiale Flüssigkeitsbedarf soll, um die Ödementwicklung bei Brandverletzten hintanzuhalten, gering und nach der Baxter/Parklandformel berechnet werden. In Ihrem Beispiel beträgt somit der präklinische Flüssigkeitsbedarf, ohne Zusatzverletzung 250 ml (Ringerlactat)
Für die Berechnung habe ich die modifizierte Formel angewendet:
2ml/kgKG x KOF %= 24 Stunden – Bedarf.
Korrekt, oder?
Mit lieben Grüßen
Derzeit verwendet man die modizifierte Baxter Formel, das ist korrekt. Die exzessive Flüssigkeitstherapie wie noch vor ein paar Jahren ist obsolet. 🙂 Gerne!
Grundsätzlich geben die meisten Intensivstationen Flüssigkeit nach „Bedarf“. Nicht alle Patienten sind gleich, die Formel soll aber mal einen guten Richtwert geben!