Laut Uni-Köln gibt es 30 Prozent mehr Notfall-Patienten in den Ambulanzen während einer Hitzewelle. Das heißt: Für dich als Arzt ist jetzt Notfall-Hochsaison!
Da ich aus eigener Praxis weiß, wie schwer es oft ist, im „hitzigen Gefecht“ eines Notfalls als Arzt bei der Hitzewelle einen kühlen Kopf zu bewahren, will ich dir hier nochmals eine kleine Guideline-Auffrischung geben. Schließlich sind wir als Ärzte im Besonderen zur Einhaltung dieser Leitlinien verpflichtet…

Wieso ist Hitze so gefährlich? So versagt der Kreislauf bei Hitze

Das große Problem an der Hitze ist die Dehydrierung des Körpers. Das heißt: Im Körper entsteht ein Flüssigkeitsmangel, konkret ein Wassermangel. Ohne ausreichend Wasser kann der Körper den Kreislauf nicht mehr aufrechterhalten.
Generell gilt: Babys unter 1 Jahr und Senioren ab 70 Jahren sind besonders gefährdet.
Babys können nämlich nicht schwitzen. Sie überhitzen dadurch schneller, weil der Körper die Wärme nicht so leicht abbauen kann.
Ältere Menschen dehydrieren leichter, weil sie von Haus aus viel weniger trinken als junge Erwachsene. Wenn du dem Körper weniger Flüssigkeit zuführst, hat er weniger Möglichkeiten, die Hitze durch Schwitzen wieder zu kompensieren.

Theorie-Auffrischung: Welche 4 Möglichkeiten hat der Körper Wärme abzubauen?

  1. Infrarotstrahlung: Jeder Körper gibt über Strahlung Wärme ab. In Summe ist das allerdings relativ wenig und sehr ineffektiv. Alleine dadurch könnten wir bei Weitem nicht unsere Temperatur regeln. Wenn du es genau wissen willst, kannst du dir hier auf Wikipedia die Formel ansehen und in deinem Fall nachrechnen: https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4rmestrahlung#W%C3%A4rmestrahlung_des_Menschen
  2. Konvektion: Konvektion bedeutet soviel wie „Mittragen“ oder „Mitführen“. Im Themenfeld der Temperatur meinen wir damit Wärmeströmung durch die Luft. Wenn also ein „Lüftlein“ über deine Haut streift, dann nimmt es die Wärme, die du absonderst verstärkt mit. Dadurch wirkt Wind kühlend.
  3. Konduktion: Darunter versteht man den Wärmeaustausch mit Gegenständen, die dem Körper direkt anliegen. Wenn du zum Beispiel auf einem Sessel sitzt, erwärmt sich dieser mit der Zeit.
  4. Evaporation (Schwitzen): Das ist die effektivste Methode, mit der sich unser Körper kühlen kann. Wenn du schwitzt, dann verdunstet der Schweiß auf deiner Haut. Auf Grund dieser Verdunstung entzieht es dem Körper Energie (also Wärme). Schwitzen (oder im Fachausdruck Evaporation) ist mit Abstand die effektivste Kühlmethode unseres Körpers. Allerdings ist dies nur möglich, wenn der Wasserdampfpartialdruck der Haut höher ist, als der der Luft. Auf der Haut hast du einen Wasserdampfpartialdruck von ca. 6,3 kPa.

Spannend: Bei Außentemperaturen, die über der Körpertemperatur liegen, kannst du Wärme nur mehr durch Evaporation abgeben. Das Interessante dabei: Dieser Prozess ist zusätzlich von der Luftfeuchtigkeit abhängig. Beträgt die Luftfeuchtigkeit 100% (in den Tropen zum Beispiel), kannst du Wärme nur mehr bis zu einer Außentemperatur von 37 Grad abgeben. Also überhitzt du an feuchten und warmen Orten super schnell und gnadenlos.

Hitze-Notfall: Was ist das primäre Problem?

Wenn du zu einem Hitze-Patienten gerufen wirst, hat dieser also folgendes Problem: Er kann durch die oben genannten 4 Möglichkeiten die Körpertemperatur nicht mehr auf 37 Grad halten.
Durch das übermäßige Erwärmen dehydriert er noch schneller und die Kombination aus wenig Flüssigkeit und hoher Stoffwechselbelastung kann bis zum Kreislaufstillstand führen.
Wichtig: Wenn du als Arzt zum Notfall gerufen wirst, hat der Patient meistens nicht mehr die Kraft, dieser Dehydrierung selbst entgegenzuwirken. Dennoch will ich dir hier zur theoretischen Auffrischung noch einmal die Methoden des Körpers nennen, wie er selbst versucht, der Dehydrierung entgegenzuwirken:

  1. Durst: Patient hat Verlangen zu trinken.
  2. Flüssigkeit wird rückresorbiert: Der Körper versucht aus Darm und Niere das Wasser rück zu resorbieren.
  3. Vasokonstriktion und Zentralisierung: Indem der Körper die Gefäße in der Peripherie enger stellt, wird absolut betrachtet weniger Flüssigkeit für die Durchblutung benötigt.
  4. Shiften von intra- nach extrazellulär: In den Zellen deines Körpers ist vor allem viel Wasser gespeichert. Durch einen Shift von intra- nach extrazellulär bzw. intravasal stellt der Körper freies Wasser für das Gefäßsystem zur Verfügung.
  5. Erhöhung der Herzfrequenz und des Cardiac Outputs: Wenn der Körper zu dehydrieren droht, versucht er die Versorgung mittels erhöhter Herzfrequenz aufrecht zu erhalten. Wir bezeichnen dieses Stadium als kompensierter Schock, solange der Blutdruck noch im Normalbereich liegt. Sinkt zusätzlich der Blutdruck bei erhöhter Herzfrequenz, sprechen wir von einem dekompensierten Schock.

Hitze-Notfall: Wie gehst du guidelinekonform vor?

Wenn du nun zu einem Hitze-Notfall gerufen wirst, hat der Körper deines Patienten in der Regel bereits die eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft. Es geht deinem Patienten vermutlich sehr schlecht. Vielleicht ist er nicht mehr ansprechbar. Vielleicht atmet er auch gar nicht mehr…
Nun liegt es an dir leitlinienkonform zu helfen. Du musst jetzt um das Überleben deines Patienten kämpfen. Ich will dir hier eine guidelinekonforme Schritt-für-Schritt-Anleitung geben:

Schritt 1: Beachte deine eigene Sicherheit!

Straßenverkehr (Parkplatz), Schwimmbad, Sauna – das sind die klassischen Schauplätze für einen Hitze-Notfall. Doch dort lauern auch Gefahren. Bedenke immer, dass du nur helfen kannst, wenn du gesund bleibst!

Schritt 2: Bringe den Patienten in den Schatten!

Dein Hitze-Patient liegt in der prallen Sonne? Bringe ihn so schnell und so sicher wie möglich aus dieser Gefahrenzone. Ideal sind z.B. im Schwimmbad große Schattenbereiche oder direkt dein vorgekühltes Rettungsauto.

Schritt 3: ABCDE-Check

Führe immer den ABCDE-Check durch. Hier findest du gleich unser ABCDE-Check-Lehrvideo.
Wichtige Ergänzung bei Hitze-Notfällen: Bei C(=Kreislauf) baue bitte unbedingt den Check für die Rekapillarisierung ( = Wiederbefüllung der kleinen Blutgefäße) ein. Drücke dazu einfach auf den Handrücken. Bleibt der weiße Fleck für weniger als 2 Sekunden weiß, spricht alles für einen normalen Wasserhaushalt. Bleibt der Fleck länger als 2 Sekunden weiß, herrscht Flüssigkeitsmangel. In der Klinik stehen dann natürlich noch genauere Wege zur Verfügung, die Dehydrierung zu bestimmen.
Eine weitere Möglichkeit den Flüssigkeitsstatus abzuschätzen, ist die Herzfrequenz und den Blutdruck im Verhältnis zu sehen. Dies habe ich schon oben im Absatz „Hitze-Notfall: Was ist das primäre Problem?“ angedeutet  (kompensierter vs. dekompensierter Schock).
[embedyt] https://www.youtube.com/watch?v=pGyPXMLF7tY[/embedyt]

Schritt 4: Reanimation oder Seitenlage

Die Entscheidungsgrundlage ist nicht schwer zu verstehen: Wenn der Patient nicht mehr atmet, starte mit der Reanimation. Wenn er noch atmet, bringe ihn in die stabile Seitenlage und versuche ihn aktiv mit kalten Tüchern auf dem Oberkörper und den Beinen zu kühlen.

Schritt 5: Großzügig Flüssigkeit zugeben

Wenn du einen venösen Zugang legst und dein Patient offensichtlich dehydriert ist, dann führe deinem Hitze-Patienten großzügig Flüssigkeit zu. Die Guidelines empfehlen 20ml pro Kilogramm Körpergewicht innerhalb von 2-3 Minuten. Danach prüfst du erneut mittels Rekapillarisierungs-Check, ob du weiter Flüssigkeit zuführen sollst. Die Flüssigkeit kann in diesem Fall Raumtemperatur (22 Grad) haben, bitte keine eiskalten Flüssigkeiten verwenden!

Schritt 6: So schnell wie möglich in die Klinik

Hast du den Patienten weitestgehend stabilisiert, dann transportiere ihn so schnell wie möglich in die Klinik zur weiteren Versorgung.

Fazit: Hitzewellen fordern dich im Arztberuf zusätzlich

Wie du siehst, sind Hitzewellen auch im Jahr 2018 nicht ohne. Natürlich entwickelt sich unsere Technik immer weiter, aber zaubern werden wir nie können…
Was wir tun können, ist weiter zu trainieren, trainieren und zu trainieren!
Achtung: Jetzt kommt die Werbung 😉
Wir bieten dir jede Woche mehrere hochwertige Simulation-Trainings an! In unserem ACLS-Kurs stellen wir zum Beispiel genau solche Situationen nach, simulieren die Hitze-Umgebung und du kannst dabei versuchen, unseren High-Tech-Simulator zu retten, indem du alles guidelinekonform und richtig machst.
Wenn du dich also besser auf Notfälle im Allgemeinen und Hitze-Notfälle im Speziellen vorbereiten magst, dann klicke hier auf den Link oder unten auf den roten Button.
LG,
dein Daniel
Ja, ich will Notfälle im ACLS-Kurs trainieren!
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