Wusstest du, dass Ertrinken die zweit häufigste Todesursache bei Kindern ist?
Bekanntes Beispiel ist der Fall Bode Miller. Während eines Festes mit zahlreichen Gästen ist die 19 Monate alte Tochter des ehemaligen Skirennfahrers unbemerkt in einem Kinderbecken ertrunken. Rettungskräfte haben noch versucht, sie wiederzubeleben, doch vergebens (Quelle: kurier.at).
Diese Tragödie hat uns dazu geführt, diesen Beitrag zu schreiben.
Stell dir folgende Situation vor: Du wirst ins Schwimmbad gerufen und siehst vor dir einen Vater kniend über seinem nassen, leblosen Kind.
Er führt eine laienhafte Herzdruckmassage durch. Die pure Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Daneben die Mutter, die ihm aufgelöst assistiert.
Du übernimmst das Kind und trocknest es ab. Deine Kollegen bereiten währenddessen den Defibrillator vor und du möchtest mit einer hochwertigen Herzdruckmassage beginnen.
Doch die überforderten Eltern hindern dich an deiner Arbeit. Der Vater verhält sich womöglich sogar aggressiv. Ein effektiver Einsatz ist unmöglich…

Tipp #1: So hältst du dir aufgebrachte Eltern vom Leib

Sage den Eltern: „Sie gefährden das Leben Ihres eigenen Kindes, wenn Sie uns nicht in Ruhe arbeiten lassen!“
Dieser Satz hat sehr gute Erfolgsaussichten, denn welcher Vater oder welche Mutter lässt sich schon gerne sagen, dass man das Leben des eigenen Kindes gefährdet?
Soll ich dir etwas verraten? Als Anästhesist im Schockraum der Univ.-Klinik Innsbruck ist mir bei einem Ertrinkungs-Notfall so ein aufgebrachter Vater schon selbst untergekommen.
Er behinderte mich bei meiner Arbeit, indem er mich an den Schultern packte und durchschüttelte. Er drohte mir, mich umzubringen, wenn ich sein Kind nicht zurückholen würde.
Wie du dir sicherlich vorstellen kannst, wirkte sich die aggressive Art des Vaters negativ auf das gesamte Rettungsteam aus.
Ich habe ihm dann oben genannten Satz gesagt und er ließ mich los.
Anmerkung: So ein Verhalten ist verständlich, weil die Eltern sich im Ausnahmezustand befinden. Ich wüsste nicht, wie meine Reaktion wäre, wenn es sich um eines meiner Kinder handeln würde. Dennoch muss es möglich sein, als Notarzt die Arbeit ungestört verrichten zu können.

Tipp #2: Trotz Kindernotfall geht deine eigene Sicherheit vor

Als Grundregel gilt: Die eigene Sicherheit geht immer vor. Achte auf diese 3 Punkte, wenn du das Kind aus dem Wasser gezogen hast oder es dir von den Eltern übergeben wurde:

  • Brustkorb abtrocknen: Trockne das Kind als erstes im Bereich des Brustkorbs ab.
  • Trockene Unterlage: Lege es anschließend auf eine trockene Unterlage.
  • Abstand vom Nassbereich: Halte Abstand vom Pool oder vom nassen Untergrund.

Diese 3 Punkte sind wichtig, damit du später den Defi benutzen kannst.

Tipp #3: Welche Reanimation für welches Kind?

Du musst so schnell wie möglich eine hochwertige Herzdruckmassage durchführen.
Als Faustregel gilt: Die Herzdruckmassage wird bei Kindern unter 1 Jahr mit beiden Daumen oder mit Zeige- und Mittelfinger durchgeführt. Bei Kindern über 1 Jahr nimmst du – wie bei Erwachsenen auch – eine oder beide Hände zum Druck ausüben.
Hast du dich entschieden, ob du die Herzdruckmassage mit Daumen oder beiden Händen ausführst, musst du diese 3 Punkte beachten:

  • 15-mal schnell und tief drücken: Du musst 15-mal auf den Brustkorb des Kindes drücken. Und zwar schnell und tief. Das heißt: 120-mal pro Minute und ca. 1/3 des Thoraxdurchmessers tief.
  • 2-mal beatmen: Anschließend musst du das Kind 2-mal beatmen und danach wieder 15-mal auf den Brustkorb drücken. Dies wiederholst du im Wechsel mit deinen Kollegen solange, bis der Defi zum Einsatz kommt.
  • Defi einsetzen: Bevor du den Defibrillator einsetzt, achte darauf, dass das Kind trocken ist und sich auf einer trockenen Unterlage befindet.

Adrenalin – wie viel und wann?

Zur Erinnerung: bei Asystolie oder PEA (pulsloser elektrischer Aktivität) verabreiche so schnell als möglich Adrenalin (10 Mikrogramm pro Kg Körpergewicht). Wiederhole diese Gabe alle 4 Minuten.
Bei Kammerflimmern oder pulsloser ventrikulärer Tachykardie  (pVT) defibrilliere so schnell wie möglich mit 4 Joule pro Kg Körpergewicht und verabreiche nach dem 2. Schock Adrenalin (10 Mikrogramm pro Kg Körpergewicht) und nach dem dritten Schock Amiodaron (Sedacoron) 5mg pro Kg Körpergewicht.

Tipp #4: Erkläre das Kind vor Ort niemals für tot

Wusstest du, dass die meisten Kinder nach dem Ertrinken aus genau 2 Gründen versterben?
Entweder hat eine ineffektive Reanimation durch Laien stattgefunden oder es war kein Defibrillator vorhanden.
Solltest du ein Kind 10-15 Minuten lang reanimiert haben und es gibt immer noch kein Lebenszeichen von sich, merke dir eins:
Lasse Kinder niemals draußen zurück und erkläre sie für tot, sondern nimm sie unter Reanimation in die Klinik mit!
Denn es gilt als ungeschriebenes Gesetz: Kinder werden immer in die Klinik mitgenommen, weil es dort nochmals mehr Möglichkeiten und Man-Power gibt.
Wichtig: Auf dem Weg dorthin musst du das Kind ununterbrochen im Rettungswagen weiter reanimieren.

Tipp #5: Mache dir keinen Vorwurf, wenn du einem Kind nicht helfen konntest

Kindernotfälle sind nie einfach und emotional sehr fordernd. Selbst für alte Hasen, die jahrelang als Notarzt unterwegs waren. Auch wenn es nicht leicht ist, musst du versuchen, damit umzugehen.
Mache dir deshalb bitte nie Vorwürfe, wenn du einem Kind nicht erfolgreich helfen konntest.
Leider ist es in 95 % der Fälle so, dass Kinder nicht erfolgreich reanimiert werden können und sterben. Die Gründe dafür haben wir dir in Punkt 4 genannt.

Und nun? Nur mit Training kannst du besser werden

Wir als Mediziner wissen, dass Kindernotfälle nie einfach sind. Daher hoffen wir, dass für dich der ein oder andere Tipp in der Bewältigung solcher Fälle dabei war.
Wenn du diese Tipps beherzigst, solltest du für deinen nächsten Kindernotfall im Schwimmbad oder am See besser gewappnet sein.
Du weißt nun unter anderem, wie du aufgebrachte Eltern beruhigst und worauf du bei der Reanimation von Kindern achten musst.
Solltest du ein Kind nicht retten können, sind 2 Punkte wesentlich: Erkläre es niemals vor Ort für tot und mache dir keinen Vorwurf. Wie gesagt, in 95 % der Fälle können Kinder leider nicht erfolgreich wiederbelebt werden.
Neben unseren Tipps darfst du als Notarzt oder Sani aber eine Sache nicht vergessen:
Nur mit Training kannst du wirklich sicherer werden und Ertrinkungsunfälle bei Kindern besser meistern.
In unserem Pals-Kurs kannst du solche „echten“ Notfall-Szenarien an einem High-Tech-Simulator üben. Dort lernst du unter anderem, wie du guideline-konform bestmöglich vorgehst.
Zudem spielen wir auch die unter Punkt 1 genannte Situation („Aufgebrachte Eltern“) nach und sprechen ausführlich darüber, wie Notärzte und Sanis mit dem Tod eines Kindes umgehen können.
Wenn du also solche Notfälle in Zukunft besser meistern willst, dann klicke einfach auf den nachfolgenden Link oder auf den roten Button darunter: https://simulationcenters.com/mediziner/pals-kurs/
Ja, ich möchte solche Notfälle üben und besser werden!
Foto: © Tropical studio – fotolia.com